Der Markenbegriff spaltet Kulturschaffende in zwei Lager. Im einen hat man Angst vor einer zu starken Kommerzialisierung von Kunst, im anderen hegt man die Hoffnung auf eine Zauberformel für erfolgreiches Kulturmanagement. Marketingmanager von Theatern, Museen und Orchestern springen zwischen diesen Lagern hin und her und versuchen zu vermitteln. Zu Recht. Denn Marken haben längst im Kultursektor Einzug gehalten – ob strategisch entwickelt oder als ‚Beiprodukt’ weitsichtigen Managements entstanden. Doch natürlich gibt es keine Kunst- oder Kulturmarke ohne Kunst – und letztere entwickelt sich eben nur in gewissen Freiräumen.
Wenn man das Überangebot an Kulturangeboten und den Kostendruck auf die Institutionen betrachtet, kommt man nicht umhin festzustellen, dass es für eine Kultureinrichtung heute darum geht, durch Profilbildung und konsistente Imagearbeit Aufmerksamkeit zu erzeugen, Unterscheidbarkeit bzw. Wiedererkennbarkeit herzustellen und Identifikationsangebote an ihre Zielgruppen zu formulieren. Solche Bemühungen können bei erfolgreicher Koordinierung in der Etablierung einer ‚Marke’ münden – ob man sie nun so nennt oder einen Alternativbegriff findet. Trotzdem muss man genau hinschauen: Woraus besteht die Marke? Wer kreiert sie? Welchen Nutzen hat sie? Und welchen Schaden kann sie der Kunst antun? Die Begriffsklärung und kritische Reflexion kulturbezogener Branding-Praktiken sind weit weniger fortgeschritten als die inflationäre Verwendung des Markenbegriffs auch im kulturellen Kontext vermuten lässt.
Fest steht: Eine Marke ist mehr als ein Logo. Eine Marke beinhaltet ein Qualitätsversprechen. Für den Besucher hat sie den wertvollen Nutzen, vor dem eigentlichen Museums-, Konzert- oder Theaterbesuch eine Vorstellung von dem Kulturangebot entwickeln zu können. Diese vorab gebildeten Assoziationen entscheiden – zusammen mit anderen Faktoren – über den Kauf oder Nicht-Kauf einer Eintrittskarte. Wer die „richtigen“ Assoziationen bei potentiellen Besuchern und Kunden wecken, also ein eindeutiges Markenversprechen kommunizieren will, muss die Markenidentität zuvor auf inhaltlicher Ebene definiert haben: Wofür steht die Institution? Was ist ihre einzigartige Kompetenz? Woraus besteht die besondere kulturelle und künstlerische Leistung? Ist die Botschaft abgesteckt, kann ein Kommunikationskonzept entwickelt werden, das dem Markenkern entspricht. Das heißt aber, dass sich Markenbildung nicht vom Kernprodukt eines Kulturbetriebs trennen lässt – und damit auch nicht von künstlerischen Entscheidungen. Dieser Zusammenhang muss problematisiert werden. Das gilt vor allem für den Bereich öffentlich subventionierter Kultur, die ihre Legitimation insbesondere aus ihrer künstlerischen Autonomie bezieht. Die Gratwanderung zwischen Kunstfreiheit und Markenlogik muss immer wieder neu versucht werden.
Die Kulturmarkenforschung zielt zum einen darauf ab, kulturbetriebliche Spezifika derart in ein konventionelles Modell des Markenmanagements zu integrieren, dass die Balance zwischen Kunst und Ökonomie gelingt. Zum anderen wird versucht, das ‚Kunsthafte‘ der Kunst ins Zentrum eines neuen Markenbegriffs zu rücken und damit eine zu simple Adaption betriebswirtschaftlicher Ansätze zu vermeiden. Das Forschungsprojekt Kulturbranding am Studiengang für Kulturmanagement der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar widmet sich dem Diskurs um Kulturmarken mit dem Anspruch, das Thema empirisch und theoretisch zu beleuchten. Gerade erschien der dritte Band Kulturbranding III. Positionen, Ambivalenzen, Perspektiven zwischen Markenbildung und Kultur (Höhne/Bünsch/Ziegler 2011). Neben der theoretischen Reflexion von kunst- und kulturbezogenen Brandingstrategien sowie Abhandlungen zum Forschungsstand werden hierin neue Entwicklungen im praktischen Kulturbranding diskutiert: Markenbildung im Web 2.0, Place-Branding-Strategien, Beeinflussung des Weiterempfehlungsverhaltens und Einsatz kulturspezifischer Markenaudits sind Beispiele dafür. Auch berücksichtigt werden aktuelle Tendenzen hinsichtlich betont konsumkritischer Brandingstrategien bzw. eines ironischen Spiels mit markentechnischen Dissonanzen. Besonders hier liegen Potenziale, den Gegensatz zwischen Kunst und Marke aufzulösen oder zumindest neu zu interpretieren.
Von Nicola Bünsch exklusiv für den Arts Admin Blog von JS, Oktober 2011
Nicola Bünsch promoviert, nach ersten beruflichen Stationen im Theatermarketing, seit 2010 an der Hochschule für Musik Weimar über Markenbildung im Kulturbereich.
Verwendete Quellen: Höhne, Steffen / Bünsch, Nicola / Ziegler, Ralph Philipp (Hgg.) (2011): Kulturbranding III. Positionen, Ambivalenzen, Perspektiven zwischen Markenbildung und Kultur. Leipzig: Universitätsverlag (= Weimarer Studien zu Kulturpolitik und Kulturökonomie 7).
Bünsch, Nicola (2009): Das Theater als Marke? – In: KM Kultur und Management im Dialog, Nr. 35 (September), S. 22-24
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