von Arthur Schnitzler
Premiere: 21.02.2001
Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Bühne: Klaus Grünberg
Kostüme: Tina Klömpken
Regie: Jan Bosse, Viviane De Muynck, Friederike Heller, Ingrid Lausund, Jochen Strauch, Stefan Pucher, Ute Rauwald, She She Pop/showcase beat le mot, Franz Wittenbrink,  Simon Frisch/Tobias Sandberger
Fotos: Arno Declair

Erotische Brücke zwischen dem Dichter und dem Grafen ist die Schauspielerin.

Sie erzählt dem Publikum, dass sie mit „Ivan, Michael und Frank“ gut bekannt gewesen sei. Es spricht Ilse Ritter, und die Herren ihrer Vergangenheit heißen Nagel, Bogdanov und Baumbauer – lauter Hamburger Exintendanten. Ilse Ritter ist eine große Übriggebliebene dieser Zeiten. […] Ihr durchbrochenes Kleid ist ein Arrangement aus tausend Blößen. Hier sagt eine souveräne Verführerin: Unter den Schleiern bin ich nackt!, ihr Auftritt ist eine endlose, hinhaltende Enthüllung. […]

Peter Kuemmel, Die Zeit, 10/2001

Das Deutsche Schauspielhaus versteht sich seit dem Antritt des Intendanten Tom Stromberg nicht mehr als normales Theater. Die neuen Stücke unterliegen dank der spezifischen Ästhetik der vielen angeworbenen Off-Theater-Regisseure keinerlei Verwechselungsgefahr mit dem überlieferten bürgerlichen Schauspiel. Auf der Suche nach neuen Formen auf der Bühne bemüht man sich, wo immer es geht, den althergebrachten Theaterrahmen zu sprengen. Bezahlen muss Stromberg mit bösen Kritiken, den schlechtesten Zuschauerzahlen seit 15 Jahren und einer Stimmung in der Stadt, die sich immer stärker gegen ihn richtet.

In dieser Situation soll jede Premiere der rettende Schritt nach vorne sein in ein zeitgenössisches, experimentelles Gegenwartstheater, das hohen Ansprüchen genügt. Nach Tschechows „Möwe“ hat man sich nun als zweiten Klassiker Arthur Schnitzlers „Reigen“ vorgenommen, jene zehn Dialoge zwischen verschiedenen Geschlechtspartnern: Die Dirne trifft auf den Soldaten, der Soldat auf das Stubenmädchen, die auf den jungen Herrn, der mit der jungen Frau anbändelt, die junge Frau mit dem Ehegatten, der Ehegatte mit dem süßen Mädel und so weiter bis ein Graf es wiederum mit der Dirne treibt und sich der Liebesreigen wieder schließt.

Schnitzler antwortete im Jahr 1900 mit dem „Reigen“ auf die Liebestragödien des 19. Jahrhunderts: Die Menschen aller Stände eint bei ihm die Suche nach der Liebe, die nichts ist als das Verlangen der Körper. Für die damaligen Verhältnisse eine Dichtung mit skandalträchtigem Ruf. Erst zwanzig Jahre nach Erscheinen wurde das Stück in Berlin uraufgeführt. Einen Tag nach der Premiere wurde Strafanzeige wegen Gefährdung der öffentlichen Sittsamkeit gestellt. Wenige Wochen später kam es vor einer Aufführung in Wien gar zu Schlägereien und Stinkbombenattacken.

An Sprengkraft gegen das sittsame Gemeinwohl hat das Stück verloren, aber es ist immer noch ein wunderbarer Text über das ewige Spiel aus Werbung, Paarung, Sättigung und Ernüchterung. Dieser Reigen ist ohne Ende und wird sich wiederholen, solange die Welt nicht untergeht.

Die zehn verschiedenen Szenen, in denen sich jeweils ein Mann und eine Frau treffen und den „Einakter“ beim Worte nehmen, sind am Deutschen Schauspielhaus jetzt von zehn Regisseuren umgesetzt worden. Im Programmheft ist zu lesen, dass sie wie bei einem „Staffellauf“ durch die unterschiedlichen Lesarten und Spielweisen inszenieren würden. […]

Simone Kaempf, Der Spiegel, 22.02.2001

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