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Was ist Arts Administration?

Arts Admin Zurich

Ist künstlerisches Management lehrbar und erlernbar?

Die Antwort scheint eindeutig, betrachtet man die längst unüberschaubare Fülle an Angeboten. Ich bezweifle das, plädiere weiterhin für Ja und Nein, und daran hat sich in den sieben Jahren wenig geändert, in denen ich mich der ehrenvollen Aufgabe gestellt habe, im Auftrag der Universität Zürich dieses Programm zu verwirklichen. – Ein Text von Gerhard Brunner (2009).

Zunächst einmal: Warum firmiert dieser Lehrgang unter „Arts Administration“, nicht „Arts Management“? Im Rückblick wird klarer, dass es um eine Grenzziehung ging, aber auch um ein Bekenntnis. „Management“, steht der Terminus nicht für Fertigkeiten, Können, Handwerk, Kompetenz, Wissen, Know-how, aber auch: Führung, Beherrschung, Steuerung, Macht, Kontrolle? Kein Zweifel, dass es alles das braucht für den Erfolg der Arbeit.

Ausser Frage steht zugleich, dass alle diese Begriffe das Rüstzeug bezeichnen, die gebündelten, unabdingbaren Voraussetzungen, die kein Endzweck sind. Fertigkeiten: wozu, Beherrschung und Kontrolle: wie, Kompetenzen und Macht: wofür, Steuerung: wohin? Ich denke, dass uns der andere Begriff, Administration, hinausführt über alles unter Management Subsumierbare. „Administration“, steckt darin nicht Bereitschaft, Pflicht, Verpflichtung, Müssen, Achtung, Gestaltung, Dienen, Ethos? Was uns zur zentralen Frage führt: Dienen – wie, wem, wofür?

Masterprogramm und Meisterschule

Konzeptionell ging es von Anfang an darum, die Elemente eines universitären Masterprogramms zu verbinden mit der Idee einer künstlerischen Meisterschule. Es ging um einen Brückenbau zwischen sehr verschiedenen Welten, es ging um die Künste und die Wissenschaften, um Theorie und Praxis, um Arts and Economics. Am Ende von zwei Lehrgängen wage ich die Behauptung, dass uns dieser Brückenschlag gelungen ist, und dass wir ihn als eine gemeinsame Leistung ansehen können.  Mit dem Abschluss des zweiten, dem Fortgang des dritten und der Vorbereitung des vierten Lehrgangs ist unser Unternehmen hinaus gediehen über ein Pilotprojekt.

„Wir“, das ist die Universität Zürich, deren Repräsentanten, allen voran ihren Rektoren und dem Leitenden Ausschuss, ich für die ebenso stetige wie sympathisierende Begleitung danke. Wir, das ist ein Generalsponsor, ohne den das ganze Projekt nicht möglich gewesen wäre, die Stiftung Ars Rhenia. Wir, das sind geschätzte zweihundert Dozierende und Mentoren. Wir, das sind meine unmittelbaren Ratgeber und Partner, Lisa Wehrli, Wilhelm Hawla und – last not least – Susanne Herrnleben. Wir, das sind in der Hauptrolle Sie selbst, Sie, die Studierenden als eine Lerngemeinschaft, die zugleich das Zentrum eines stetig wachsenden Netzwerks ist.

Gemeinsam haben wir in drei Jahren erfahren, was Lebenslanges Lernen bedeutet, und was Erwachsenenbildung. Es sind vielfältige Lehrangebote, die wir Ihnen machen, und die Liste der Dozierenden mag sich hin und wieder lesen wie ein Who’s Who der künstlerischen und wirtschaftlichen Szene. Entscheidend für die Wirkung erscheint mir jedoch, dass wir alles daransetzen, den wechselseitigen Austausch unter Ihnen zu fördern, weil jede und jeder Teulnehmende durch die Fülle subjektiver Kompetenzen in diesem Prozess Schüler und Lehrer zugleich ist.

Dieser Prozess des Gebens und Nehmens darf mit dem heutigen Tag nicht zu Ende gehen, dieser Tag ist eine Zwischenstation. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich auf diesen Prozess eingelassen haben, und ebenso danke ich Ihnen für Ihre Kritik, die sich in vielen Evaluationen und Gesprächen niedergeschlagen hat.

Was ist vermittelbar, was nicht?

Natürlich fragt man sich gelegentlich, ob es nicht klüger wäre, diesen ganzen hohen Anspruch gleich wieder zu vergessen. Steht nicht der Initiant, Alexander Pereira, dafür Modell, dass es auch andere Wege zum Erfolg gibt ? Keine Frage, es gibt sie, und wir unterstreichen die Wichtigkeit dieses Learning by Doing durch das hohe Gewicht, das wir den Praktika beimessen.

Trotzdem behaupte ich, dass es als Ausnahme anzusehen ist, nicht als Regel, wenn gelegentlich auch der rein pragmatische Weg zum guten Ende kommt, und diese Skepsis wird grösser und grösser in Anbetracht der Aufgabe, mit immer knapperen Mitteln immer höheren Ansprüchen Genüge zu leisten.
Mehr als das: Es wird in verstärktem Masse auch darum gehen, den gesellschaftlichen Mehrwert künstlerischen Handelns zu verteidigen.

Gemeinsam haben wir in diesen drei Jahren erfahren, dass es bei unserem Begriff von „Arts Administration“ nicht primär um die Vermittlung und Vermehrung speziellen Wissens geht, das anderswo leichter abrufbar ist. Es geht vielmehr um die Zusammenschau, um den Blick aufs Ganze. Es geht, über alles Fachliche hinaus, um die zentralen Fragen, um Fragen der Führung und Verantwortung, um die Fragen sozialer Kompetenz und ethischen Handelns.

Zugleich haben wir betont, dass es nicht um verbindliche Antworten gehen kann in diesen Lehrgängen, nicht um eine Ausrüstung mit patentierten Lösungen, sondern um die jeweils richtigen Fragestellungen: Was ist in einer gegebenen Situation richtig, was falsch? Wobei das Richtige schon morgen falsch, das Falsche wieder richtig sein mag.

Was ist es nun, das wir als unser „Zürcher Profil“ bezeichnen wollen?

Erstens: Es darf in letzter Konsequenz niemals nur um das Ich gehen, also um die Selbstverwirklichung des Administrators oder Managers, sondern um das Wohlergehen der Institution. Zweitens: Es geht um Führung: Führung wohin? Die Kompetenz des Managers ist ohne Belang, wenn sie lediglich Bestehendes verwaltet und keine Richtung weist. Es sind die schöpferischen Kräfte, es ist das Neue, Unerprobte, Ungewisse, Ungehörte, Ungeschaute, es sind die Wege ins Grenzland und es sind die Grenzüberschreitungen, für die wir unsere ganze Kraft und Phantasie einzusetzen haben. Es ist zugleich auch die Leidensbereitschaft, neunundneunzigmal verlieren zu können um eines Treffers willen.

Was ist lehrbar, was nicht? Nicht lehrbar ist alles Intuitive, Geahnte, Gefühlte, das „Gespür“ für dieses Neue. Sie oder er, das sind eben nicht nur kompetente Administratoren und  Führungspersönlichkeiten, sondern im Idealfall auch so etwas wie „Trüffelschweine“. Womit ich zurück bin beim Anfang, beim Initianten, der uns mit seiner Idee, einer scheinbar verrückten Idee, hier und heute zusammengeführt hat. Ich freue mich über diesen Tag, weil ich, mit Ihnen, ein wenig stolz bin auf die von Ihnen erbrachten und von höchst kompetenten Prüfern und Mentoren bestätigten Leistungen. Bei aller Skepsis gegenüber Superlativen: Sie sind ein denkwürdiger, ein massstabsetzender Jahrgang: Vintage 2009. Ich gratuliere Ihnen zu Ihren Studienerfolgen, und ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg.

Dr. Brunner
Gerhard Brunner war u.a. Ballettdirektor der Wiener Staatstoper, Intendant der Bühnen Graz und Kurator der Wiener Festwochen.

Abschlussrede des Direktors EMAA, Dr. Gerhard Brunner, 11.06.2009 in Zürich, anlässlich der Verleihung der Mastertitel an den zweiten Jahrgang (2006-2009)

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