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Making-of Die Zertrennlichen

ACHT

Startrampe
27. Oktober 2022

Schön wird‘s. Mehr in der Dokumentation der Aufführung!

GP läuft. Und macht großen Spaß… Wir freuen uns auf morgen.

SIEBEN

Kurz vor Endproben
21. Oktober 2022

TE & Licht ist gemacht, grade sitzen wir im Finetuning für den Ton. Das Stück gerät immer wieder von selber bereits in den Ablauf, wir ertasten uns die Abmischungen zwischen bittersweet, Humor, Konflikt; das Wunderbare am Text von Fabrice Melquiots ist ja der Wechsel von Erzählen, Imaginieren, Szene, Poesie, die es abzuschmecken gilt.

Vor lauter Krankenständen habe ich letzte Woche souffliert, inspiziert, Ton gefahren und Kritik geschrieben, was für ein Spaß!

SECHS

Work in Progress
8. Oktober 2022

Wir arbeiten uns durch die emotionale Entwicklung der Figuren, Schritt für Schritt, Szene für Szene: Die Abwehr, das Abchecken, das Reproduzieren der Bewertungen aus der direkten Umwelt – wie wird das über die Begegnung umgedeutet. Wie entsteht diese Zuneigung? Das Stück bietet von Augenblick zu Augenblick rasante Wechsel, in einer Szene geht es mehrfach hin- und her.

Gleichzeitig arbeiten wir uns natürlich auch an der szenischen Struktur entlang, entwickeln musikalische Motive mit der Tonabteilung und bereiten kleine oder größere Entwicklungen im szenischen Verlauf technisch vor. Erste Kostümentwürfe geraten auf die Bühne, da Sigi und ich das Eintragen von Kostümen richtig finden, dass alles schon belebt wurde und nicht erst zur Hauptprobe frisch geschneidert an den Körper und in den Prozess addiert wird.

Der große, weiße Büffel: Wie wird die Wolke runtergelassen, wie kann sie bespielt werden.

FÜNF

Probenstart in Lüneburg
September 2022

Nach einer intensiven Konzeptionsprobe, in der wir alle ambivalenten Vorschläge für die Darstellung von Rassismus bearbeitet haben, starten die szenischen Proben. Aufregend, den Text zu hören, zu sehen, zu spüren, über die räumlichen, körperlichen und emotionalen Erlebnisse mit Berna Celebi und Richard Erben zu forschen. Das Poetische muss sich in der Realität behaupten.

VIER

Interview für einen Zeitungsbericht
September 2022

Mit „Die Zertrennlichen“ feiert am 28. Oktober ein Schauspiel für Menschen ab 10 Jahre Premiere auf der Jungen Bühne T.3. „Für mich ist das ein Stück über Annäherung, über eine erste Liebe ganz junger Menschen aus unterschiedlichen Welten“, schildert Regisseur Jochen Strauch seinen Eindruck vom Stück. Im Zentrum stehen Sabah und Romain. Sie sind Nachbarn, gehen auf die selbe Schule, träumen sich gerne weit fort und kommen doch aus völlig verschiedenen Welten. Sabahs Familie stammt aus Algerien, ist lebhaft und warmherzig, Romains Eltern sind so mit sich beschäftigt, dass er sich oft selbst überlassen bleibt. Als Sabah eines Tages von ihrer Mutter zu Romain geschickt wird, nähern sich die beiden zögerlich einander an – und werden für eine Weile unzertrennlich. „Vielleicht inspiriert von Romeo und Julia? Fabrice Melquiot gelingt es, wie vielen seiner französischen Autoren-Kollegen, sich auf eine aufregende Weise mit Themen wie Milieu, Rassismus und Klassismus auseinanderzusetzen. Und zu zeigen, wie sich das auf das Leben der Kinder auswirkt. Romain ist der Sohn von Rassisten ist und Sabah aus einem anderen Land nach Frankreich gezogen…“ Besonders reizen Strauch an dem Stück die erzählerischen Gegensätze: „Auf der einen Seite hat man ein wirklich brachiales Umfeld. Gleichzeitig wird die Geschichte mit einer kraftvollen Poesie gezeichnet. Das ist großartig und erzählt, dass Poesie auch Widerstandskraft geben kann. Du kannst in der krassesten Welt überleben, wenn du jemanden hast, mit dem du eine Fantasiewelt teilen kannst. Das macht resilient.“ Passend dazu hat Ausstatterin Sigi Colpe ein Bühnenbild geschaffen, das sich komplett der Poesie öffnet und eine große Weite sowie Platz zum Träumen lässt.

Das Team Colpe / Strauch arbeitet erstmals am Lüneburger Theater. Sie arbeiten ausgesprochen gerne für Kinder und Jugendliche, denn: „Die Direktheit ist nochmal eine ganz andere, da kannst du dich nicht verstecken. Wenn sich jemand im Zuschauerraum langweilt, bekommst du das sofort mit. Je jünger die Zuschauer, desto deutlicher das Feedback. Außerdem bieten wir den jungen Menschen ein Handwerkszeug an, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Theater ist – anders als Film – ein Medium, das man sich im Kopf selbst zusammenbauen muss. Im besten Fall erleben die jungen Zuschauer*innen etwas, das hilft, die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit von Welt zu erfassen.“

Seine Arbeit „Dschabber“, die Europäische Erstaufführung einer anderen interkulturellen Liebesgeschichte am Berliner GRIPS Theater, wurde 2019 mit dem IKARUS ausgezeichnet. — Text von Violaine Kozycki 

DREI

Der leere Raum
Juli 2022

Die Schönheit der Sprache, die Poesie der Phantasiewelten, die Weite des leeren Raums und damit die Entscheidung für eine erzählerische Lesart haben den Ausschlag gegeben. Eine Welt aus Wolken.

ZWEI

Raum
Juni 2022

Sigi Colpe hatte drei Wege vorgeschlagen und wir sind in der uns eigenen Art das Stück mit allen drei Ideen im Kopf durchgegangen: Ein Entwurf betonte die Urbanität des Ortes, wie eine Bushaltestelle. Natürlich mit der Möglichkeit auch zu einem anderen Ort zu werden, einem Wald, einer Lichtung, einer Häuserecke. Die zweite Idee nahm die zweigeteilte Welt ins Zentrum, die beiden Zimmer, in denen die beiden Protagonist:innen sich immer wieder erzählend an uns wenden. Und der dritte Entwurf öffnet den Raum in die Poesie, in die Welt der Vorstellungen, die zur Heimat der beiden 11-jährigen wird.

Zwei Zimmer und ein (urbaner) Begegnungsort.

EINS

Erste Eindrücke
Mai 2022

Paris. Der Stoff ist von 2017. Romain und Sabah wohnen im selben Areal, ihre Wohnblocks, ihre Zimmer liegen genau gegenüber. Bevor sie sich kennen, haben sie schon Zuschreibungen voneinander übertragen bekommen: Romains Eltern sind „Rassisten“, Sabahs Eltern „Araber“ aus Algerien. Sabahs Mutter sendet Makrouts an das ständig einsame Schlüsselkind Romain, eine Köstlichkeit aus der alten Heimat. Romain, offenbar gewohnt, dass die Abwesenheit seiner Eltern und sein andauerndes Alleinsein komisch ankommt, betont, dass die beiden sich lieben. Sabah hat eine Phantasiewelt, sie beschäftigt sich mit den Sioux, sie setzt der rauen Wirklichkeit eines Pariser Banlieues die amerikanische Weite, eine Naturverbundenheit und innere Kraft entgegen und einen Traum: „Die Nakota, die Dakota und die Lakota sind die drei großen Sioux-Stämme. Alle Namen bedeuten dasselbe: Verbündete.“ Und diese Suche nach Verbindung, dieses Aufblühen einer Beziehung gegen jede Wahrscheinlichkeit, treibt die Geschichte voran, eine Geschichte auch um Resilienz. Was beschützt junge Erwachsene in einer toxischen Welt? Wieviel Fremdheit braucht Anziehung? Was übertragen Erwachsene an Kinder? Ist Rassismus vererbbar?

Fabrice Melquiot, der nicht nur als Regisseur und Schauspieler arbeitet, sondern u.a. auch das Genfer KiJu-Theater „Am Stram Gram“ leitete, und für „Die Zertrennlichen“ 2018 den Grand Prix de Littérature dramatique Jeunesse und den Deutschen Kindertheaterpreis gewann, beschäftigt sich mit den Abdrücken von Rassismen im Alltag in diesem Stoff. Das war 2018 offenbar noch auf eine drastischere Art und Weise möglich, als wir es heute erträglich finden: Die Abbildung reproduziert Wirklichkeit. Für Menschen ab 10. Die Fragen nach Repräsentanz und Abbild treten bei uns mehr in den Vordergrund als noch vor fünf Jahren.

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